Autismus – Ein vielschichtiges Spektrum
Ein Interview mit einem Betroffenen
Am heutigen Weltautismustag, rücken die Bedürfnisse von Menschen mit Autismus in den Fokus. Dieser Tag soll die Öffentlichkeit für das Autismus-Spektrum sensibilisieren und Vorurteile abbauen. Das Autismus-Spektrum ist weit vielschichtiger als das, was Film- und Fernsehproduktionen wie “Rain Man” oder „The Good Doctor“ vermitteln.
Was verbirgt sich hinter der Autismus-Spektrum-Störung?
Bei Autismus handelt es sich um eine Entwicklungsstörung, welche Auswirkungen auf das Verhalten, die Kommunikation, die soziale Interaktion, und die Umweltwahrnehmung eines Menschen haben kann. Anders als das stereotype Bild, das Filme oft zeichnen, ist jeder Mensch im Autismus-Spektrum individuell. Von leichten Formen bis hin zu schweren Ausprägungen gibt es eine riesige Bandbreite an Erscheinungsbildern. Einige Menschen haben Schwierigkeiten mit sozialen Signalen, während andere in bestimmten Bereichen außergewöhnliche Fähigkeiten zeigen, um nur zwei mögliche Beispiele zu nennen. Es ist wichtig zu verstehen, dass es keine “typische” Autistin oder keinen “typischen” Autisten gibt.
Wie viele Betroffene es in Österreich tatsächlich gibt, ist statistisch nicht erfasst. Anhand von internationalen Schätzungen kann man jedoch davon ausgehen, dass etwa 1 %* der Gesamtbevölkerung von einer Autismus-Spektrum-Störung betroffen sind. Umgelegt auf Österreich bedeutet dies, dass in etwa 92.000 Kinder, Jugendliche und Erwachsene betroffen sein könnten.
*) Quelle: www.autistenhilfe.at
Alexander erzählt uns aus seinem Leben
Alexander (47), ist im Autismus-Spektrum. Er lebt in einer WG von wohnenanderskompetent. Sport und Musik sind seine Leidenschaften. Davon abgesehen sind seine Interessen sehr vielfältig, so hilft er zum Beispiel auch gerne beim Kochen. Auch bei den gemeinsamen Wochenendaktivitäten ist Alexander gerne dabei. Unsere Wohnbetreuerinnen Eva Popelka und Claudia Bachmann haben ein Interview mit ihm geführt:
Alexander, erzählst du uns von deiner Kindheit und Jugend?
„Ich war 7 Jahre lang im Caritas-Dorf St. Anton, da habe ich auch gewohnt. Danach bin ich ins Berufsvorschulungszentrum in St. Gilgen gekommen. Da habe ich eine Ausbildung zum Maler und Tischler gemacht. Ich habe leider keine fertig gemacht. Ich habe die Punkte nicht erreicht. Seit 1998 arbeite ich in der Lebenshilfe in Saalfelden. Seit 2016 lebe ich in einer WG von wohnenanderskompetent.“
Wie war deine Schulzeit für dich?
„Ich bin mit dem Stoff nicht mitgekommen. Ich war in der Volksschule in Bruck. Die Kinder waren auch nicht gerade lustig. 1986 bin ich dann ins Caritas-Dorf St. Anton gekommen. Da haben wir Sachunterricht gehabt. Meine Lehrerin hat es mir dann aufgeschrieben, sonst wäre ich ewig nicht weitergekommen. Das habe ich dann auswendig gelernt. Was das betrifft, sagt man mir nach, ich habe eine gute Allgemeinbildung. Nur in einem bin ich schlecht: Mathematik und Deutsch Grammatik. In Religion habe ich eine 1 gehabt.“
Wofür interessierst du dich besonders?
„An Sport bin ich sehr interessiert. Interessanterweise bin ich auch gut darin, Geschichten zu schreiben. Du weißt ja, ich habe ein Buch geschrieben mit der Ergotherapeutin.“
Ich weiß, dass du viele Lieder kennst und die dazugehörigen Texte, Alben und die Jahre dazu nennen kannst. Würdest du sagen, das ist auch etwas, wofür du dich sehr interessierst?
„Ja für Musik von ABBA und von den Beatles oder so etwas. 60er Jahre, bei den 50er Jahren komme ich etwas ins Schleudern. Metal und Hip-Hop mag ich nicht so.“
Gibt es etwas, wo du dich etwas schwerer tust?
„Ordnung halten muss ich noch lernen. Ich bin schon Einer, der gerne sagt, dass mach ich später und vergesse es dann. Dann sag ich, das hat noch Zeit und mache es niemals, weil ich es vor mich hinschiebe.“
Gibt es Situationen, die dich stressen oder stören, wie ungeordnete Dinge oder wenn es laut ist?
„Nein, so extrem ist es bei mir zum Glück nicht. Bei den meisten Autisten ist es Lärm, bei mir aber nur manchmal. Nur dann und wann.“
Was machst du in Stresssituationen?
„Entweder ich schalte den Radio für ein paar Minuten ab, wenn es der Radio ist. Aber das stört dann die Anderen, die Radio hören wollen. Dann verlasse ich den Raum, oder hole mir einen Gehörschutz. Da höre ich immer noch was, aber weniger. Ein nicht geregelter Tagesablauf oder Abweichungen irritieren mich schon auch. Aber Gespräche helfen mir da auch. Daheim ist es einfacher, da habe ich Pufferzonen, wie mein Zimmer.“
Was könnte die Gesellschaft dazu beitragen, dir den Alltag leichter zu machen?
„Nichts.“
Kennst du Silent-Shopping? Da wird in Geschäften das Licht gedimmt, es gibt keine Musik und keine Durchsagen. Würdest du das Angebot in Anspruch nehmen?
„So etwas brauche ich nicht. Ich bin eh schnell wieder draußen. Wenn ich allein gehe, brauche ich nur wenige Sachen. Ich gehe sonst mit meiner Betreuerin einkaufen, das geht ganz gut. Das bin ich gewohnt, das gibt mir Sicherheit. Das Einzige, was ich nicht mag, ist das lange Anstehen an der Kassa. Da gehe ich an eine Kassa, wo nicht so viele sind.“
Hast du das Gefühl, dass sich im Umgang mit Menschen mit Beeinträchtigung und der Inklusion ein Fortschritt in den letzten Jahren abzeichnet?
„Ja, sie gehen auf mich zu. Das ist schon ein großer Pluspunkt. Es tut sich schon sehr viel. Früher haben viele Schüler über mich gespottet und mich geärgert. Das ist jetzt weniger.“
Was bedeutet es für dich, Kontakt zu außenstehenden Personen zu haben?
„Kontakt zu anderen Leuten? Nein, das mag ich nicht. Wenn ich Jemand kenne, ist das was Anderes.“
Aber Gespräche mit dir bekannten Personen sind ok, oder ist das für dich auch anstrengend?
„Nein, nein das passt schon. Ich sage es dann schon, wenn es mir zu anstrengend wird.“
Alexander, wie sehen deine Sozialkontakte aus?
„Ich bin gerne für mich allein. Ich habe schon Freunde, wie meine WG-Kollegen. Aber das reicht mir völlig. Ich fahre auch bei Ausflügen mit. Ich habe auch eine Freundin. Aber wir sehen uns selten.“
Du hast einmal erzählt, dass du eine Katze hattest?
„Ja ich hatte einmal eine Katze, da war ich ein junger Erwachsener. Das war mein bester Freund auf der Welt, er hat Micki geheißen. Zu Tieren habe ich einen besonderen Bezug. Ich bedauere nur, dass Tiere nicht sprechen können. Aber vielleicht hat das ja auch seine Vorteile. Katzen sind meine Lieblingstiere, vor allem schwarze.
Als Schlussfrage, Alexander: Was würdest du dir wünschen?
„Ich würde mir wünschen, dass Menschen trotz ihrer, egal welcher, gearteten Beeinträchtigung, Schauspieler oder Sänger werden könnten.“
Vielen Dank, dass du uns ein bisschen was aus deinem Leben erzählt hast, Alexander!